Das Forschungs- und Arbeitsfeld der Mensch-Computer-Interaktion (MCI) hat in den letzten Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen. Die Informatikforschung und -entwicklung konzentrierte sich in ihren Anfängen vor mehr als vierzig Jahren zunächst auf die Verbesserung von Algorithmen und die dafür benotigten Hardware-Architekturen. Die Benutzbarkeit der Software wurde nachranging, man könnte fast sagen stiefmütterlich, behandelt. Mit der Komplexität der Softwaresysteme stiegen allerdings auch die Anforderungen an die Benutzbarkeit. Heute sind aus volkswirtschaftlicher Sicht Bedienfehler der Benutzer häufig mit großen Kosten verbunden, und die Benutzbarkeit entscheidet maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg von Produkten, bei denen Softwarekomponenten eine gewichtige Rolle spielen.
In Deutschland hat sich diese Erkenntnis in der Hochschullandschaft und Wirtschaft zwar mit etwas Verzögerung, dafür nun aber – bei Drucklegung dieses Bandes – mit Nachdruck durchgesetzt. Zahlreiche Lehrstühle mit einem dedizierten Schwerpunkt in der MCI wurden in den letzten Jahren im deutschsprachigen Raum eingerichtet. Nahezu alle in Deutschland agierenden Software-Firmen nehmen die Benutzbarkeit ihrer Produkte sehr ernst und stellen Mitarbeiter mit entsprechender Expertise ein bzw. schaffen ganze Abteilungen, die sich dem Thema hausintern widmen. Kurzum: Informatiker kommen an dem Thema Mensch-Computer-Interaktion nicht mehr vorbei – und aus Sicht der Endkunden, d. h. der Benutzer von Informatikprodukten, ist diese Entwicklung mehr als zu begrüßen.
Während an Universitäten und Fachhochschulen neue Studiengänge entstehen, die sich der MCI annehmen, ist das Angebot an wissenschaftlich fundierter Informatik-Literatur zum Thema überschaubar. Die international renommierten Wissenschaftler Bernhard Preim und Raimund Dachselt haben mit dem ersten Band Interaktive Systeme vor einigen Jahren den Grundstock zu einem umfassenden Lehr- und Nachschlagewerk gelegt, welches nun durch den zweiten Band komplettiert wird. Während der erste Band vor allem die technischen und kognitiven Grundlagen interaktiver Systeme diskutierte, wird dem Leser dieses Bandes das Rüstzeug für das Design von effizienten und effektiven Benutzungsschnittstellen an die Hand gegeben (Teil eins) und sein Verständnis von neuen Interaktionstechniken und -paradigmen vertieft. Hierzu wird nicht nur die an Bedeutung gewinnende 3D- Interaktion (Teil zwei) ausführlich besprochen, sondern auch die gestische und natürliche Interaktion auf und mit (großen und kleinen) interaktiven Oberflächen (Teil drei).
Schließlich wird moderne Software heutzutage nicht mehr nur für die klassischen Plattformen PC, Laptop oder Smartphone entwickelt, sondern vielmehr für viele Alltagsgegenstände, wie z. B. das Automobil, die Wasch-, Spül- oder Kaffeemaschine. Selbst in Zahnbürsten und Hifi-Anlagen sind Softwarekomponenten keine Seltenheit mehr. Es setzt sich vermehrt die Erkenntnis durch, dass die Benutzbarkeit eines Produktes nur dann gewährleistet werden kann, wenn physikalische und softwaretechnische Aspekte der Bedienbarkeit gleichberechtigt schon im Entwurf und in der Entwicklung der Benutzungsschnittstelle berücksichtigt werden. Dieses Thema greifen die Autoren u. a. im Kapitel Tangible User Interfaces gesondert auf und fassen den aktuellen Stand dieses jungen Forschungsgebietes erstmalig in einem deutschen Lehrbuch umfassend zusammen.
Dieses Buch hat in Verbindung mit dem ersten Band für (fast) jede Leserschaft viel zu bieten:
Mit großer Akribie, hohem Sachverstand und präziser Sprache haben Bernhard Preim und Raimund Dachselt es verstanden, den aktuellen Stand der Kunst des jungen, dynamischen Feldes der Mensch-Computer-Interaktion in diesem Werk festzuhalten. Damit leisten beide einen unschätzbaren Dienst zur ersten Konsolidierung unseres Forschungsgebietes in deutscher Sprache. Beiden Autoren ist diese Bestandsaufnahme eine Herzensangelegenheit, die sich nicht nur in diesem Buch, sondern auch in Ihrer Tätigkeit als Lehrende und Forschende stark widerspiegelt. Dafür sei den Autoren sehr gedankt.
Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern eine erkenntnisreiche und unterhaltsame Lektüre.
Antonio Krüger