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Geleitwort von Marc Hassenzahl

Wer wagt, gewinnt. Das erste Lehrbuch zum Thema „Usability“ (Gebrauchstauglichkeit), das ich gelesen habe, war Jens Wandmachers „Software-Ergonomie“. Es machte mir vor rund 15 Jahren klar, dass Usability keine Qualität des jeweiligen Produktes ist, sondern im Zusammenspiel von „Benutzern“ (welch ein furchtbares Wort für Menschen), ihren Aufgaben und den Rahmenbedingungen liegt. Der Groschen fiel bei der Formel zur Bestimmung der optimalen Schriftgröße (Software-Ergonomie. Berlin: de Gruyter). Diese benötigt den Abstand zwischen dem Bildschirm und dem Lesenden. Ohne zu wissen, wie groß dieser Abstand ist, kann auch keine optimale Schriftgröße ermittelt werden. Es ist seltsam, wie die Einsicht funktioniert. Plötzlich hatte ich verstanden, dass trotz aller wissenschaftlichen Exaktheit, sich irgendjemand zunächst die Mühe machen muss, diesen Abstand zu ermitteln oder zumindest festzulegen. Es gibt keine einfachen Rezepte à la „12 Punkt ist lesbar“.

Wandmachers Buch ist voll mit solch nützlichem Wissen und dessen wissenschaftlicher Fundierung. Ein ganzes Kapitel beschäftigt sich beispielsweise mit der Gestaltung von Menüs. Es geht um die optimale Zahl von Menüeinträgen und Menüebenen, ob Menüs eher flach oder tief sein sollen, wie man sie strukturiert und die einzelnen Auswahlmöglichkeiten benennt. Als Studierender – denn das war ich vor 15 Jahren – kann ich mich an hitzige Diskussionen erinnern, ob es nun Benutzerschnittstelle (grammatikalisch falsch), Benutzungsschnittstelle oder doch lieber -nahtstelle heißen soll. Ist Benutzerfreundlichkeit als Begriff abwertend und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Benutzbarkeit, Nützlichkeit und Gebrauchstauglichkeit? Fragen über Fragen.
Seit damals ist einiges passiert. Und es ist nicht einfacher geworden. Die Komplexität interaktiver Systeme hat immens zugenommen. Allein die Vorstellung ich müsste ein mittelkomplexes Produkt, wie eine Software zur Steuererklärung, GOMS-modellieren, um seine Effizienz zu optimieren, lässt mich schaudern. (Sie müssen nicht wissen, was GOMS ist. Es reicht zu wissen, dass es sehr sehr aufwändig ist.) Es geht auch nicht mehr nur um den Desktopcomputer in einem Büro. Interaktive Systeme sind mittlerweile fester Bestandteil unseres alltäglichen Lebens. Dementsprechend variieren Technologien und Kontexte. Kleine Bildschirme, große Bildschirme, Mäuse, Touchscreens und -pads und -wheels, Knöpfe, Hebelchen, Schalter, Gesten, Worte; und das dann Zuhause, auf Partys, in Autos, in Büros. Die Kombinationsmöglichkeiten sind enorm, und damit auch die Anforderungen an das Wissen über die Gestaltung interaktiver Systeme – denn Sie erinnern sich: Nur wenn das System zum Kontext passt, wird Usability daraus.

Warum erzähle ich das? Weil ein Buch zu schreiben wie das vorliegende „Interaktive Systeme“ unter diesen Umständen ein Wagnis ist. Hunderte, tausende von Wissensschnipseln müssen zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden, zu einer Struktur, die Sinn macht, die Studierenden und auch Experten hilft, den Überblick zu behalten. Ich finde, dieses Wagnis ist Bernhard Preim und Raimund Dachselt sehr gut gelungen – ehrlich gesagt: ich bin ein bisschen neidisch!

Das Gelingen liegt natürlich auch daran, dass sich Preim und Dachselt hervorragend ergänzen. Preim hat seinen Schwerpunkt in der Gestaltung sicherheitskritischer interaktiver Systeme im Kontext medizinischer Anwendungen. Ein Nutzungsproblem in diesem Bereich, eine kleine Unsicherheit bei der Einstellung einer Dosierung oder der Dauer einer Bestrahlung kann Menschenleben kosten. Und entsprechend leidenschaftlich und überzeugend beschäftigt er sich mit der Verbesserung der Usability. Dachselt erforscht intensiv neuartige, möglichst natürliche Interaktionstechniken und Informationsvisualisierung – er gehört zu einer neuen Generation von Informatikern, die ihr Augenmerk bereits auf die Ästhetik interaktiver Systeme richten – und entsprechende Fertigkeiten gezielt erworben haben.

Das Buch ist voll interessanter Einsichten und Hinweise zum Thema Usability im Speziellen und zum Entwurf interaktiver Systeme im Allgemeinen. Und auch die „angenehme User Experience“ (Abschn. 6.2.14) – wie das auf neudeutsch heißt – wird diskutiert. Diese Diskussion ist besonders wichtig, denn sie zeigt, dass Usability bei aller Leidenschaft nur ein Teilaspekt interaktiver Systeme ist. Es gibt mehr. Menschen drücken durch interaktive Systeme ihre Identität aus – sie lieben Schönheit und Professionalität. Sie beweisen durch die Beherrschung dieser Systeme ihre Kompetenz und nicht selten entdecken sie Anregendes und Neues.

Hand aufs Herz: In vielen Fällen ist das Gefühl, effizient zu sein, viel wichtiger als die wirklich erreichte Effizienz. Und die Vorstellung, dass Menschen Aufgaben haben, die sie erledigen wollen, und wofür sie Werkzeuge brauchen wäre ebenso naiv. Natürlich verändert das Werkzeug die Aufgabe erheblich und führt oft zu ganz neuen Aufgaben, die so noch gar nicht da waren. Wenn Sie einen Kaffeevollautomaten besitzen, wissen Sie, wovon ich rede. Man muss zwar nicht mehr Kaffee kochen – das macht ja jetzt die Maschine – aber dafür bekommt man permanent Anweisungen, wie die Maschine ordnungsgemäß zu unterstützen sei: Wasser nachfüllen, reinigen, Mahlwerk oder Milchdüse säubern.

Diese Systeme müssen nicht nur gebrauchstauglich gemacht werden, sondern müssen mit Gespür dafür gestaltet werden, was Menschen wichtig ist und was Ihnen Freude bereitet. Usability ist zwar ein wichtiger Hygienefaktor. Ohne Usability wird es immer mühsam oder sogar gefährlich. Aber Usability allein ist kein Grund zur Freude. Freude bei der Nutzung, Bindung und die Motivation der Nutzer sind immer zentraler werdende Anforderungen an jedes interaktive System. Wie das genau geht, ist noch unklar, das Forschungsgebiet noch unreif – aber spannend ist es. Und Bernhard Preim und Raimund Dachselt machen uns zum Glück immer wieder darauf aufmerksam.

Ein Tipp zum Schluss: Lassen Sie sich nicht entmutigen von der Fülle der Details, Ratschläge und Themen in diesem Buch. Lassen Sie sich nicht entmutigen, von dem Gefühl, das vielleicht aufkommt, doch nur an der Oberfläche gekratzt zu haben. Das Gestalten interaktiver Systeme ist eine Herausforderung. Es ist aber auch ein spannendes, gesellschaftlich überaus relevantes Thema. Es liegt am Ende in Ihrer Hand als Gestalter (egal ob Sie sich als Ingenieur oder Designer verstehen), ob eine Technologie eine positive Wirkung für den Menschen entfalten kann oder aber als unmenschlich, zu kompliziert, langweilig oder überflüssig befunden wird. Das Buch wird Ihnen sicher dabei helfen, angemessene Gestaltungsentscheidungen zu treffen.

 

Viel Vergnügen beim Lesen und viel Erfolg beim Anwenden.

Ihr Marc Hassenzahl

Marc Hassenzahl
Marc Hassenzahl